Bürglen (Transkription Nr. 351)

Schulort: Bürglen
Konfession des Orts: reformiert
Signatur der Quelle: BAR B0 1000/1483, Nr. 1463, fol. 291-294v
Standort: Bundesarchiv Bern
Kanton 1799: Thurgau
Distrikt 1799: Weinfelden
Agentschaft 1799: Bürglen
Kirchgemeinde 1799: Bürglen (TG)
Ort/Herrschaft 1750: Gemeine Herrschaft Thurgau (Gerichtsherrschaft der Stadt St. Gallen)
Kanton 2015: Thurgau
Gemeinde 2015: Bürglen
In dieser Quelle werden folgende 3 Schulen erwähnt:

20.02.1799

FRAGEN UEBER DEN ZUSTAND DER SCHULEN AN JEDEM ORTE. ANTWORTEN ÜBER DIE REFORM: SCHULE IN BÜRGLEN

I. Lokal-Verhältnisse.
I.1 Name des Ortes, wo die Schule ist.

Bürglen

I.1.a Ist es ein Stadt, Flecken, Dorf, Weiler, Hof?

Ein Dorf von etwan 70. Haushaltungen

I.1.b Ist es eine eigene Gemeinde? Oder zu welcher Gemeinde gehört er?
I.1.c Zu welcher Kirchgemeinde (Agentschaft)?

Es ist auch eine kleine Kirchgemeinde. u. kleine Agentschafft

I.1.d In welchem Distrikt?

Weinfelden

I.1.e In welchen Kanton gehörig?

Thurgau

I.2 Entfernung der zum Schulbezirk gehörigen Häuser. In Viertelstunden.
I.3 Namen der zum Schulbezirk gehörigen Dörfer, Weiler, Höfe.

Zu dieser Schule gehören eigentlich keine Dorfschaften

I.3.a Zu jedem wird die Entfernung vom Schulorte, und
I.3.b die Zahl der Schulkinder, die daher kommen, gesetzt.
I.4 Entfernung der benachbarten Schulen auf eine Stunde im Umkreise.
I.4.a Ihre Namen.

Mauren eine 1/4tel Stunde von Hier ein Dorf so groß wie Hier — Sulgen eine 1/2 Stunde auch ohngefehr {vast} so groß — Jstigkofen hat auch eine kurze Schule im Winter — ist eine 1/4tel Stunde von Hier, aber der Thurfluß darzwischen — Sie besuchen auch hiesige Kirch — eigentlich aber gehören sie nach Bußlingen eine Stunde weit

I.4.b Die Entfernung eines jeden.
II. Unterricht.
II.5 Was wird in der Schule gelehrt?

||[Seite 2] Buchstabieren, Lesen, gedrukt. u. geschriebenes Rechnen, auch etwas über Religion. u. Sitten. Das eigentliche Choral. u. Kirchengesang Auch kan Zeichnen. u. Music gelernt Werden, worzu aber wenig Subjecte vorhanden

II.6 Werden die Schulen nur im Winter gehalten? Wie lange?

Nur im Winter, von Martini bis Osteren auch wurde sie schon bis Pfingsten gehalten, aber weil hier meistens Bauren, Rebleüthe. u. Arme Leüthe seyn, so wurden die meisten Kinder, besonders die größern, so bald der Frühling eintrittet: zur Arbeit genommen: Zum Vieh treiben; dem Vieh Futer suchen. u. anders mehr

II.7 Schulbücher, welche sind eingeführt?

Testament von gleicher Edition etw 10. Stük — Ein gutes Lesebuch von St Gallen etw 30 Stück. Zürcher Catechismus; Zeügnuß; u. Wasers von Bischofzell Schul Büchli

II.8 Vorschriften, wie wird es mit diesen gehalten?

Zu Vorschrifften werden den Kindern (wenn sie einmahl gelernt Buchstaben, Wörter. u. Zeilen schreiben) Sittensprüche; etwas aus einem guten Lied, oder sonst etc. ein Brief; ein Conto, eine Rechnung gegeben. Auch werden sie zum Auswendig schreiben. u. Dictieren angehalten

II.9 Wie lange dauert täglich die Schule?

Die Tagschule von 8 bis 11. u. 1. bis 4 Uhr und die Nacht oder Repetierschule der größeren Knaben alle Wochen 3 Nächte von 1/2 7 bis 9 Uhr

II.10 Sind die Kinder in Klassen geteilt?

||[Seite 3] Ja, in 4 Claßen

III. Personal-Verhältnisse.
III.11 Schullehrer.
III.11.a Wer hat bisher den Schulmeister bestellt? Auf welche Weise?

Die Herrschafft oder dehro Verwalter mit zuzug deß Pfarrers am Ort — Die Gemeind hatte nie viel darzu zu sagen.

III.11.b Wie heißt er?

Johannes Moosher

III.11.c Wo ist er her?

Burger allhier

III.11.d Wie alt?

41. Jahr

III.11.e Hat er Familie? Wie viele Kinder?

Eine Frau. u. 4. Kinder — 3. Knaben. u. eine Tochter, worvon 2 Knaben vast erwachsen. u. abwesend. u. der jüngere auch zum Untericht gewidmet wird.

III.11.f Wie lang ist er Schullehrer?

Jn Bürglen 5 1/2 Jahr — vorher 12 Jahre in einer Gemeind Gottshaus genant, in die Pfarr Bischofzell gehörig

III.11.g Wo ist er vorher gewesen? Was hatte er vorher für einen Beruf?
III.11.h Hat er jetzt noch neben dem Lehramte andere Verrichtungen? Welche?

Noch Organist in der Kirche — u. jez noch Agent bishin ohne Einkommen. u. Mühe genug — Und wenn die Leüthe ihre Kinder auf das Feld haben brauchen können im Frühling, so bin ich mit etwa 10. oder 12 Kinder allein geblieben — wo also kein Lohn, oder wenig hatte — Da ginge dann auch ||[Seite 4] davon. u. meine Arbeit ware bey 9. u. mehr Jahren Portraits zu verfertigen wormit im Sommer mein Brod reichlich verdiente

III.12 Schulkinder. Wie viele Kinder besuchen überhaupt die Schule?

Jn der ordinari Tagschule 29. Knaben u Jn der ordinari Tagschule 30. Töchtern Jn {die} Samstags-Repetier Schule die Töchtern die die Schule besuchen mußten bis sie zum Tisch deß Herren gelaßen — 9.

III.12.a Im Winter. (Knaben/Mädchen)
III.12.b Im Sommer. (Knaben/Mädchen)
IV. Ökonomische Verhältnisse.
IV.13 Schulfonds (Schulstiftung)
IV.13.a Ist dergleichen vorhanden?

Nein!

IV.13.b Wie stark ist er?
IV.13.c Woher fließen seine Einkünfte?
IV.13.d Ist er etwa mit dem Kirchen- oder Armengut vereinigt?
IV.14 Schulgeld. Ist eines eingeführt? Welches?

Arme Eltern kon schon von Alters her alle 2 Jahre bey den Herren von St Gallen (wann sie die Untersuchung hiesiger Herrschaft machten) vor ihre Kinder um den Schul Lohn anhalten, vor welche dann vor 2 Jahre von dem Verwalter das bestimmte bezahlt wurde — deren es gemeiniglich 26. 27 bis 28 waren

IV.15 Schulhaus.

Das ist das beste was ich als Schul Lehrer habe Meine Bewohnung ist so zimmlich gut — nur kein Pläzgen wo ich etwas Holz könte unter Tach thun
und aber die Schulstube ist eine der wohl eingerichtetesten die man kaum finden wird auf dem Lande. u. Raum für ||[Seite 5] 70. bis 80 Kinder, mit nöthigem Liecht — Bürger Verwalter Zollikofer, jeziger Ober Richter in Helvetien ließe mir vor 5. Jahren bey meiner, Herkunft — laut meinem Ansuchen u. Vorstellung: Wie nachtheilig es für die Jugend seye: wenn Haushaltung. u. Schule beysammen sein müeßen — Aus einer vast ohnmöglich scheinenden Kerkerlichen, Höhle eben die Schulstube verfertigen. u. ich gestehe: daß ich, weil die Besoldung doch so schlecht. u. nur im Winter etwas, und im Sommer nichts mit dem Unterricht zu gewinnen war, ich schon einige mahl wünschte wider aufzuhören, wenn nicht gedachte das es schwarzer Undanck wäre gegen ihne, besonders in Absicht deß Bauenes. u. übriger Hilf. u. Handhabung der guten Schulordnung gemeinsam mit Bürger Pfarrer. u. Vorgesezten, die mir jmmer meine Arbeit mit Danck vergalten

IV.15.a Dessen Zustand, neu oder baufällig?
IV.15.b Oder ist nur eine Schulstube da? In welchem Gebäude?
IV.15.c Oder erhält der Lehrer, in Ermangelung einer Schulstube Hauszins? Wie viel?
IV.15.d Wer muß für die Schulwohnung sorgen, und selbige im baulichen Stande erhalten?

Die Herrschaft besorgte bishin alles

IV.16 Einkommen des Schullehrers.

An Geld — Die Herrschaft bezahlte jährlich für gemeiner Leüthe Kinder von Martini bis gegen Pfingsten für eines 40 xr. — wo es beyläufig 6-7. bis 28 Kinder gab — betragt das Ganze Gehalt darvon so — 16 bis 18 fl.
Dann bezahlte die Herrschafft noch als Wartgeldt u. für Schule von Ostern bis Pfingsten fl. 10
Von den übrigen vermöglichern Bauren-Kindern die Wöchentlich den baaren Lohn bezahlten a 4 xr.
macht beyläufig fl. 24
Von der Nachtschule eines 15 xr. für den ganzen Winter betragt fl. 5
||[Seite 6] Von hiesigem Armenguth für Kirchengesang, Orgel , u. Singübung fl. 17
Von der Herrschafft vor Kirchengesang fl. 2. xr. 48
Frucht habe nichts, auch kein Wein — Holz mußte wie andere Bürger an Dörn. u. Stauden wo mich die Herrschaft anwies in meinen eigenen Kösten anschaffen so wohl für mich, als die Schulstube
Mein ganzes Salarium mag sich mit allem belauffen auf — fl. 76
Darzu noch ein Krautgarten. u. eine halbe Jauchart Bündt wie andere Bürger — ab welch Haus, Garten, u. Bündt der Herrschaft jährlich an Zins bezahlen mußte — fl. 7

IV.16.A An Geld, Getreide, Wein, Holz etc.
IV.16.B Aus welchen Quellen? aus
IV.16.B.a abgeschaffenen Lehngefällen (Zehnten, Grundzinsen etc.)?
IV.16.B.b Schulgeldern?
IV.16.B.c Stiftungen?
IV.16.B.d Gemeindekassen?
IV.16.B.e Kirchengütern?
IV.16.B.f Zusammengelegten Geldern der Hausväter?
IV.16.B.g Liegenden Gründen?
IV.16.B.h Fonds? Welchen? (Kapitalien)
Bemerkungen
Schlussbemerkungen des Schreibers

Wie herzlich freüt es mich: Daß nun die Zeit gekommen, wo vermitlest beßrer Aufklärung an der Bildung der Jugend gearbeitet werden soll Jeder noch unmündige Knab. u. Tochter, werden, wenn sie es hören: Jhre VÄTER .u. GESEZGEBER segnen — EHRFURCHT — gegen die GESEZE werden sich in ihre jungen Herzen einpflanzen — Wie mancher edle Jüngling. u. Tochter mit den feinsten Natur Gefühlen. u. Geistes-Kräften mußten mit der Geisel in der Hand; mit der Grassichel im Feld herum jrren. u. größtentheils unwißend bleiben — Weil dann der Städter Sohn. u. Tochter durch beßer genoßenen Unterricht den guten Land Bürger als weniger verständig. u. gelehrt auf die Seite sez{t}en, u. alles Verdienst das durch ringere Arbeiten erworben werden konnte — in ihre Hände bekommen
O! Schwere Sorgen für die, die das große Werk unternehmen wollen — JHR BÜRGER ! Die Jhr unserm WÜRDIGEN BÜRGER MINISTER der Künsten. u. Wißenschaften seine Werkzeüge sein sollen: werdet viele Steine deß Anstoßens finden — nicht bey der Jugend — denn da läßt sichs alles machen. Aber damit der Saame nicht auf den Weg falle, das es die Vögel Eltern (will sagen Vögel) nicht wider auffreßen
Unterricht war mit meinen wenigen Kentnißen jmmer mein Lieblingsgeschäft Gerne wollte mein Opfer auch darinn auf den Altar deß Vaterlands bringen u. meine Lebenszeit darauf verwenden, aber ein ehrliches Auskommen, das nicht andere Sorgen den sonst so schwähren Beruf noch erschwährern: das wird doch mir, wie vielleicht mehrern meiner Mit Brüdern erlaubt seyn im Fohl auszubitten

Unterschrift

REPUBLIKANISCHER GRUSS. u. HOCHACHTUNG
Bürglen den 20ten Febr: 1799 Johannes Moosher Schullehrer

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